VEB Uhren- und Maschinenkombinat Von den Gebrüdern Thiel zum VEB Uhren- und Maschinenkombinat

Standort: 50°54'10.2"N 10°22'02.8"E

Zeitzeugenbericht

"Als ich im Jahr 1980 begann, als frischer Diplomingenieur, mit einer vom Betrieb bereitgestellten Wohnung auf dem Liesenberg, bei der EDV - Wartung in den Uhrenwerken anfing zu arbeiten, waren es noch Lochkartengeräte, die zu reparieren waren. Doch UWR besaß schon eine IBM Rechenanlage zur Lohnabrechnung aller angeschlossenen VEB Betriebe. In den 80er Jahren wechselte ich die Arbeit und durfte in der modernsten Brigade, der Geheimabteilung Schaltkreisentwurf (wegen der „Westtechnik“) bei der Wartung der neuen Technik helfen. Wir konnten Melodie- und Steuerschaltkreis für die Wecker und Armbanduhren fortan selber entwerfen und in der neuen Fabrik in Seebach auch herstellen. Mit der Wende kam 1990 schnell das Aus für unsere Abteilung und die Ingenieure gründeten mehrere kleine Firmen in der Elektro- und Feinmechanikbranche. Für mich begann 1990 direkt vom „Runden Tisch“ aus die Arbeit in der Stadtverwaltung Ruhla."

Detlef Fuhlrott

Firmenchronik

Ruhla
Christian-Emilius und Georg Thiel

1862
Die Brüder Christian und Georg Thiel gründen einen metallverarbeitenden Betrieb im Haus Köhlergasse 29. Produziert wurden u.a. Pfeifenbeschläge, Uhrenkapseln, Fensterhaken, Ösen, Absatzschoner und Stolperkappen mit etwa 30 Beschäftigten.

1867
schied Georg Thiel aus dem Betrieb aus, Christian Thiel führt den Betrieb weiter und kauft sich in den Betrieb Christian Bardenheuer ein → später Firma „Thiel & Bardenheuer“. Für seinen ersten Betrieb fand er in seine jüngeren Brüder Reinhold und Ernst Thiel geeignete Mitarbeiter.

1871
Mit der "Bieruhr", einem mechanischen Schrittschaltwerk zum Zählen der Biere in Gastwirtschaften, erfolgt der erste Schritt zur Uhrenherstellung.

1873
Da die Fabrik zu klein war und keinen Wasserlauf für ein Mühlrad vorhanden war, kaufte Thiel das Grundstück der ehemaligen Reiß’schen Filzfabrik im Grund. Beschäftigtenzahl an die 80 Personen.

Kinderspieluhren

1874
Die ersten Kinderspieluhren werden hergestellt.

Blick in das Walzwerk um 1900

1875
Bau eines kleinen, durch Wasserkraft betriebenen Messing-Walzwerk; 1899 erfolgt der Bau eines neuen Walzwerkes mit Verkauf der Erzeugnisse an andere Kunden.

1877
Reinhold und Ernst Thiel wurden bereits 1867 als Mitarbeiter eingestellt und erhielten 1877 die Mitinhaberschaft. Beschäftigtenzahl: ca. 200.

1880
Ein Kunde aus den USA wollte Kinderspieluhren, die eine Stunde richtig liefen und nur eine Mark kosten sollten. Ein Sortiment der Kinderspieluhren wurde als "kurzzeitig gehende Uhren" entwickelt und produziert.

1891/1892
Der Grundstein für die Uhrenproduktion in Ruhla wurde durch die erste maschinell gefertigte Taschenuhr namens „Fearless“ (furchtlos), auch „Rühler Kartöffel“ genannt, gelegt. Für nur 3 Mark, einer Laufzeit von 12 Stunden und einer Werkhöhe von 14 mm wurde sie zu einem internationalen Erfolg.

1894
Werkhöhe der Taschenuhr hat nur noch 12 mm, Gangdauer 24 – 30 Stunden.

1897
tägliche Produktion von 4.000 Stück, ca. 1.000 Beschäftigte.

1901
Umwandlung der Firma aus einer OHG in eine GmbH mit 3 Millionen Mark Stammkapital.

1902
stirbt Ernst Thiel und 1906 sein Bruder Reinhold Thiel. Beide wurden bereits 1893 zu Kommerzienräten ernannt. Der Sohn von Christian Thiel, Heinrich Thiel, übernimmt die Geschäftsleitung.

1905
Die Werkzeugschlossereien werden zusammengelegt, Errichtung und Inbetriebnahme einer Central-Werkstatt (CW). Zunächst Fertigung von speziellen Werkzeugen und Maschinen für den Eigenbedarf; später auch diese für andere Kunden.

1908
Die erste deutsche Damenarmbanduhr mit dem Namen "Darling" geht in Serienproduktion.

1909
begann auf Anregung der Fa. Krupp die Uhrwerk-Zünderproduktion.

1911
Die Zentralwerkstatt verkauft auf eigene Rechnung ihre Erzeugnisse an fremde Firmen.

 

 

1912
50-jähriges Betriebsjubiläum, Thiel stiftet der Trinitatiskirche eine neue Turmuhr.

1914
Weiterentwicklung und Herstellung von Zünder, die Uhrenproduktion wird eingestellt.

1917
Produktion von ca. 5.000 Zündern täglich, etwa 4.000 Beschäftigte

1918
72 Werksangehörige sind im 1. Weltkrieg gefallen, nach Einstellung der Zünderproduktion große Zahl von Entlassungen; Eröffnung der Filiale in Apolda.

1919
Wiederaufnahme der Uhren- und Maschinenproduktion.

1921
In Meiningen wird eine Betriebsfiliale errichtet, die bis 1991 als Montagebetrieb fast nur weibliche Mitarbeiter beschäftigt.

1922
60-jähriges Betriebsjubiläum mit 1.650 Arbeitern und 200 Angestellten.
Gründung der Tochtergesellschaft „Gebrüder Thiel Seebach GmbH“, Bau von 40 werkseigenen Wohnungen für Arbeiter und Angestellte.

1925
Die Taschenuhr "Regular" geht in Serienproduktion, bleibt bis 1975 den Kunden erhalten und war somit die am längsten produzierte Uhr in Ruhla.

1927/1930
Errichtung neuer Fertigungsgebäude und des Verwaltungsgebäudes im Bauhaus-Stil, Aufschwung der Produktion, 48% der Belegschaft waren Frauen und Mädchen, Jahresproduktion von Gebrauchsuhren 1,72 Mio. Stück; in Waltershausen wird ein neuer Zweigbetrieb errichtet.

1929
Rückgang der Beschäftigung wegen der Weltwirtschaftskrise auf 1.700 (1930), auf 1.400 (1931),
auf 1.200 (1932), Umsatzrückgang bis 70%.

1932
Nach dem Tod von Heinrich Thiel wurde Dr. Reinhold Thiel alleiniger Geschäftsführer. Sein Sohn Albrecht Thiel zählt zu den Pionieren des Skisports in Ruhla, er unterstützte den Bau der Sprungschanzen im Lappengrund und den Bau der Ruhlaer Skihütte.

1934
Wiederaufnahme der Zünderproduktion, dazu Vergrößerung des Werkes in Mühlhausen, Jahresumsatz steigt wieder auf 4 Mio. Reichsmark, Beschäftigtenzahl steigt auf 1.800, Gebäude werden erweitert, in den Folgejahren wird die Herstellung von Uhren mit Steinen vergrößert; in Mühlhausen wird ein neuer Zweigbetrieb errichtet.

1937
75-jähriges Betriebsjubiläum im Fürstenhof in Eisenach mit viel Naziprominenz, Gesamtumsatz erhöht sich auf 12,5 Mio. RM, die Sportheimanlage wurde gebaut, die Beschäftigtenzahl stieg auf 2.500 Personen.

1939
verminderte Produktion von Uhren und Maschinen, dafür verstärkte Produktion von Uhrwerkszündern, bei 60-stündiger Wochenarbeitszeit wurden über 3.500 Personen beschäftigt, die Hälfte davon waren dienstverpflichtete Frauen und Mädchen sowie einige Hundert „Fremdarbeiter“ und Kriegsgefangene.

1944
Mit allen, dem Thielschen Unternehmen gehörenden Betrieben, betrug die Beschäftigtenzahl etwa 10.000.

1945
Mit der amerikanischen Besatzung ruhte der Betrieb für zwei Monate, danach Entlassung aller Beschäftigten und Neubeginn. Mit dem Einzug der Roten Armee im Juli wurden der Stammbetrieb sowie alle Filialen unter Sequester gestellt. Die Filialen Seebach, Waltershausen und Mühlhausen wurden demontiert, die Mühlhäuser Filiale sogar gesprengt. Die SMAD setzte durch, dass in Ruhla alle Produktions- und Verwaltungseinrichtungen verbleiben, um eine neue deutsche Friedensproduktion zu ermöglichen.

1946
Mit den Befehlen vom 08. März und 19. Juli 1946 durch die sowjetische Militäradministration erfolgt die Übergabe der "Uhren- und Werkzeugmaschinenfabriken Gebr. Thiel" und aller Vermögenswerte an die "Sowjetische Aktiengesellschaft" für Präzisionsmaschinen "Awtowelo" als Reparationsleistung.

1946
Die Neuentwicklung mechanischer Wecker Mod. 6 wird produziert und erreicht im selben Jahr eine Stückzahl von 64.192.

1947
Die Lehrlingsausbildung beginnt wieder; ein Betriebsambulatorium, eine Schuhreparaturwerkstatt und ein Friseursalon entstehen.

1949
erscheint die Betriebszeitung „Der Wecker“, ein Kinderferienlager wird am Sportheim aufgebaut, im Garten der Thielschen Villa beginnt der Bau des Klubhauses. Die Einweihung war am 16.09.1950, Baukosten von etwa 225.000 Mark wurden von der SAG getragen.

1952
Rückgabe des Werkes am 1. Mai in deutschen Besitz, neuer Name: „VEB Uhren- und Maschinenfabrik Ruhla“ (UMF), Belegschaft etwa 4.500 Werktätige.

1957
Gestaltung des Glasmosaikfensters am Eisenacher Bahnhof mit den Uhrenwerken Ruhla.

1963
Das universell einsetzbare Uhrwerk Kal. 24 geht in die Serienfertigung und wird ab 1975 vollautomatisch montiert; insgesamt werden bis 1991 über 116 Mio. Stück produziert.

1963
Entwicklung und Fertigung der elektrischen Armbanduhr.

1967
werden die Uhrenwerke Ruhla, Glashütte und Weimar zum „VEB Uhrenkombinat Ruhla“ (UKR) vereinigt. Die Betriebszeitung „Der Wecker“ wird in „Die Unruh“ umbenannt.

1971
wird die neuerbaute Maschinenfabrik in Seebach in Betrieb genommen, der Firmenname ändert sich in „VEB Uhren- und Maschinenkombinat Ruhla“ (UMK).

1976
Beginn der Serienfertigung der Quarzarmbanduhren.

1978
Interkosmos - Raumflug mit dem ersten deutschen Kosmonauten, Sigmund Jähn. Für Experimente wird die modifizierte Ausführung der digitalen Stoppuhr Kal. 87 eingesetzt. Die Kosmonauten testen auch das Kal. 28 im Weltall.

1978
wurde das "Kombinat Mikroelektronik Erfurt" (KME) gebildet, UMK wird "Leitbetrieb Zeitmesstechnik Ruhla". Es erfolgt eine Umprofilierung der Maschinenfabrik zum Hersteller technologischer Spezialausrüstung für die Mikroelektronik. Zum Generaldirektor des KME wird der bisherige Generaldirektor de UMK, Prof. Dr. Heinz Wedler, berufen.

1979
Die Serienfertigung des ersten Quarzweckers Kal. 64 beginnt; es folgt 1982 das Kal. 82.

1980 bis 1989
Neue Fertigungsbetriebe entstehen:

  • 1980 eine Betriebs-Berufsschule in Seebach für ca. 700 Lehrlinge; in 16 Berufen werden Lehrlinge ausgebildet
  • 1981 neuer Produktionskomplex für Drehteile in Apolda
  • 1982 Gebäudekomplex Servicezentrum Berlin
  • 1985 Fabrik für Zifferblätter, Zeiger und galvanische Prozesse in Seebach
  • 1989 Fabrik in Seebach für Uhrenschaltkreise und für Schaltkreise anderer Nutzer

1987
125-jähriges Bestehen des Betriebes und 35 Jahre VEB wird mit Festveranstaltung und Volksfest gefeiert.

1989
Das Kal. 49 wird in die Produktion aufgenommen. Diese patentierte Funk-Tischuhr wird in Technik und vom Design zum Marktführer in Europa.

1990
Politische Wende: Es folgen Entlassungen vieler Beschäftigten. Die Maschinenfabrik und Weckerfabrik werden privatisiert. Es entstehen durch Verkauf durch die Treuhand 26 neue Betriebe und Einrichtungen mit auswärtigen Investoren sowie 22 MBO-Unternehmen ("Management-Buy-Out").

1991
Das MBO-Unternehmen „Gardé Uhren Ruhla GmbH“ ist eine Neugründung aus dem UWR und übernimmt einen Teil des technischen Know-how der Uhrenfertigung. Das Unterunternehmen arbeitet ausschließlich mit ostdeutschem Kapital.

1993
firmiert das Unternehmen unter „Gardé Uhren und Feinmechanik Ruhla GmbH.

1995
Gardé stellt zur Baseler Uhrenmesse eine analoge Funkarmbanduhr vor, die international große Beachtung findet; Module und Uhren dieses Kalibers werden in großen Stückzahlen nach Japan, in die USA und in mehrere Industriestaaten Europas exportiert.

1995
Beginnt die große Abrisswelle der alten Gebäudesubstanz der UWR.

2002
Gründung des Ruhlaer Uhrenmuseums durch "Gardé".

2003 und 2006
Erweiterung des Museums - das Museum zeigt nunmehr über 1.300 Stück Uhren, 35 Stück Automatisierungseinrichtungen und Maschinen aus der Ruhlaer Produktion.

2018
Ehemalige drei Uhrenwerker haben als Mitglieder des Fördervereins Uhrentradition Ruhla e.V. in ihrer Freizeit das fast 160 Jahre alte Kirchturmuhrwerk der Ruhlaer Concordia-Kirche restauriert und in Funktion gebracht. In der unmittelbaren Nähe des Kulturhauses ist dieses neue Wahrzeichen der Stadt Ruhla zu besichtigen.

2019
Die Firma Gardé stellt einen Insolvenzantrag. Die Produktion wird eingestellt und die Gebäude an zwei neue Eigentümer verkauft.
Das Gebäude 1 mit dem Ruhlaer Uhrenmuseum wurde von der Firma "PointTec" erworben. Ehemalige Mitarbeiter und Uhrenmacher der Firma "Gardé" montieren jetzt hochwertige Uhren unter dem neuen Firmennamen "Uhrenwerke Ruhla GmbH".

In dem zweiten Gebäude hat sich das Unternehmen "Feinmechanik Ruhla" firmiert und fertigt hochpräzise Kleinteile und Baugruppen für unterschiedliche Anwendungen.

Uhrenkubus - historische Turmuhr

Bahnhofstraße 2 99842 Ruhla
Ganzjährig anschaubar

Drei ehemalige Uhrmacher haben als Mitglieder des Fördervereins Uhrentradition Ruhla e.V. in ihrer Freizeit das fast 160 Jahre alte Kirchturmuhrwerk der Ruhlaer Concordia-Kirche restauriert und in Funktion gebracht. In der unmittelbaren Nähe des Kulturhauses ist dieses neue Wahrzeichen der Stadt Ruhla zu besichtigen.

Ruhlaer Uhrenmuseum

Uhrenwerke Ruhla GmbH Bahnhofstraße 27 99842 Ruhla
Aktuelle Öffnungszeiten
Mo. - Di. 10 - 16 Uhr
Mi. - Fr. 10 - 18 Uhr
Sa. 10 - 15 Uhr
So. & Feiertage geschlossen

Museum mit Werksverkauf und Service

Ausgangspunkt der Uhrenindustrie in Ruhla ist die Gründung einer Metallwarenfabrik im Jahre 1862 durch die Gebrüder Christian und Georg Thiel. Der Grundstein für die Schaffung eines der bedeutendsten Zentren der deutschen Uhrenindustrie war die Entwicklung und Produktion der „Fearless“-Taschenuhr.

Die Uhrenindustrie Ruhlas hat über Jahrzehnte für viele tausend Menschen Arbeit gegeben und für ihren Lebensunterhalt gesorgt. Durch fleißige Arbeit und mit vielen neuen Ideen wurden eine Vielzahl von Uhrenerzeugnissen entwickelt und gefertigt.
In guten Jahren wurden täglich bis zu 50.000 Stück produziert und zum Versand gebracht.

Die Ausstellung zeigt über 1300 Stück Uhren, 35 Maschinen und Automaten, sowie 50 Schautafeln. Sie geben einen unvergesslichen Einblick in die langjährige Uhrengeschichte der Stadt Ruhla.

360° Grad Rundgang durch das Uhrenmuseum Ruhla

Für eine Vollbild-Ansicht des Rundgangs, klicken Sie bitte hier. (Die Ansicht öffnet sich in einem neuen Fenster)

 

Ruhlaer Uhrenstübchen

Uhren Manufaktur Ruhla Marienstraße 1 99842 Ruhla
Do.-Fr. 10.00 - 17.00 Uhr
Sa. 10.00 - 14.00 Uhr

Anlässlich des 150-jährigen Bestehens der Firma Thiel wurde im September 2012 das Ruhlaer Uhrenstübchen im Zentrum der Stadt in einem der ältesten erhaltenen Fachwerkhäuser eröffnet. In diesem denkmalgeschützten Gebäude besteht die Möglichkeit, einem Uhrmacher bei seinem Handwerk zuzuschauen. Eine kleine Ausstellung und ein kleiner Werksverkauf sollen zudem das Interesse am Besuch des Uhrenmuseums wecken.

Junge Menschen können bei der Besichtigung des Ruhlaer Uhrenstübchens einen tieferen Einblick in die Tätigkeit eines Uhrmachers gewinnen, um sich so bei ihrer späteren Berufswahl ggf. für den Beruf entscheiden.