Metallwarenfabrik Thiel & Bardenheuer Von der Metallwarenfabrik "Thiel & Bardenheuer" zur "MEWA"

Standort: 50°53'32.4"N 10°21'59.5"E

Wie gelang es Bardenheuer vom mittellosen Handwerksburschen zum erfolgreichen Fabrikant zu werden?

Nach den Tod seines Meisters heiratet Bardenheuer als 22-jähriger dessen Witwe und gelangt so zu Besitz und Selbständigkeit. Unverzüglich beginnt er die Werkstatt zu einem kleinen fabrikmäßigen Betrieb auszubauen. Nach eigenen Ideen baut er erste kleine Maschinen und erweitert stetig das Sortiment. In nie zuvor dagwesener Art und Weise entsteht so in Ruhla eine erste Produktionsstätte. Die Werkstatt heißt nun „Beschläge und Metallwaren Christian Bardenheuer“.

Zeitzeugenbericht

"Mein Vater hat nahezu sein ganzes Leben in der Firma Thiel & Bardenheuer, die später dem VEB MEWA angegliedert war, verbracht. Ich lernte durch Ihn den Werdegang der "Fabrik" kennen. Besonderen Eindruck hat auf mich das Maschinenhaus mit der Dampfmaschine hinterlassen. Durch den Haupteingang, vorbei an der Pförtnerloge, geradeaus stand das Maschinenhaus, umgeben von Unmengen an Kohle. Die Kohle wurde zur Beheizung des Dampfkessels benötigt. Der Dampf trieb die Dampfmaschine an und diese ein riesiges Schwungrad. Maschinist war damals Herr Börner, ein Ahne von Herrn Hasselberg vom Dornsenplatz. Über Transmissionen wurde die Kraft in die Fabrikgebäude übertragen. Transmissionen sind an der Decke angebrachte Wellen mit Riemenscheiben. Mittels Treibriemen wurde die Kraft auf die einzelnen Maschinen übertragen. Weil die bewegten Wellen stets geölt werden mussten, tropfte oft Öl von oben. Auf mich haben die Dampfmaschine und die Transmissionen einen großen Eindruck hinterlassen."

Herr Stein

Firmenchronik

Christian Bardenheuer mit seiner Frau
Christian Bardenheuer mit seiner Frau

1838
Der Gürtlergeselle Christian Bardenheuer kommt als Handwerksbursche nach Ruhla, um hier noch das Beschlägerhandwerk zu erlernen. Ernst Hanno Erk, Betreiber einer Pfeifenbeschlagwerkstatt in der Oberen Lindenstraße 40 (heute Bäckerei Breunig), nimmt ihn auf.

1841
Nach den Tod seines Meisters heiratet er als 22-jähriger dessen Witwe und gelangt so zu Besitz und Selbständigkeit. Die Werkstatt heißt nun „Beschläge und Metallwaren Christian Bardenheuer“. Produziert wurden Korsetthaken und –ösen, Zündkapseln, Metallkreisel sowie diverse Dosen. Als neuer Unternehmer und strebsamer Geschäftsmann, der zudem im protestantischen Ruhla katholischen Glaubens war, der auch noch seine Arbeiter besser bezahlte, dem wurde von seinen Konkurrenten kaum Sympathie entgegengebracht; sie schickten sogar „Maschinenstürmer“, um seine Werkstatt zu zerstören.

1845
Bardenheuer konnte mit viel Geschick seine Gegner beruhigen, seinen Betrieb erweitern und bald über 30 Arbeiter beschäftigen, damit fand er bei vielen Ruhlaern Anerkennung.

1850
Wurde Bardenheuer zum ehrenamtlichen Bürgermeister der stark verschuldeten Gemeinde Ruhla WA gewählt. Auch hier hatte er mit seinen Widersachern zu kämpfen. Er ließ auf eigene Kosten für 1200 Taler ein Armenhaus bauen, Straßen verbreitern u. v. m.

1851
Die Geschäfte im Pfeifenhandwerk gingen zurück, Bardenheuer richtete die Produktion von Portmonees und Zigarettenetuis ein, schuf Beschäftigungsmöglichkeiten beim Wegebau und im Wald, ließ Suppenküchen einrichten und schickte arbeitsunwillige Bettler nach Amerika.

1854
reichten die beschränkten Räume in den alten Gebäuden nicht mehr aus und Bardenheuer erwarb das endgültige Firmengelände zwischen der unteren Krumme Wiesengasse und der südlichen Unterlindenstraße mit den bestehenden Wasserrechten.

1860
entstand auf dem neu erworbenen Gelände die erste Ruhlaer Metallwarenfabrik-Neubau, in dem etwa 100 Leute beschäftigt worden. Die neue Fabrikstätte entwickelte sich außerordentlich gut und schnell, sodass die Löhne weiter erhöht werden konnten. Die konnten aber viele andere Ruhlaer Fabrik- und Handelsherren dem fremden Neuerer nicht verzeihen und sie versuchten die Vernichtung des unbequemen Konkurrenten mit unsauberen Mitteln. Auch diese schwere Zeit überstand Bardenheuer mit seinen Arbeitern.

1864
begann er mit der Fabrikation von Schuhbeschlägen und Öllampenbrennern und führte allen Widrigkeiten zum Trotz den Betrieb zu guten Ergebnissen.

1870
Nach finanziellen Schwierigkeiten sah sich Bardenheuer veranlasst, Christian Thiel, den Mitbegründer und Inhaber der Fa. „Gebrüder Thiel“, als Kapitalgeber, Teilhaber und kaufmännischen Leiter in die Firma zu nehmen. Die Firma nannte sich nun „Thiel & Bardenheuer“. Mit dem Krieg 1870/71 übernahm Thiel & Bardenheuer Aufträge an Militäreffekten (Uniformzubehör, Beschläge für Pickelhauben, Säbelscheiden…)

1874
wandte sich die Firma wieder der Brennerproduktion zu, bis 7 Mio. Stück in verschiedenen Sorten. Für seine Arbeiter richtet Bardenheuer die erste Krankenkasse in Ruhla sowie eine Unfallkasse ein. Im gleichen Jahr stirbt Christian Bardenheuer im Alter von 55 Jahren, seine Söhne Reinhard und Otto treten an seine Stelle und übernehmen, nachdem Christian Thiel 1879 verstorben war, die Firma alleine und entwickelten sie im Sinne ihres Vaters gut weiter. Der Firmenname blieb weiterhin „Thiel & Bardenheuer“.

1885
hat Otto Bardenheuer das erste Ruhlaer Schwimmbad am oberen Ende der Dornsengasse anlegen lassen und der Gemeinde übereignet.

1887
erfolgen Fabrik- und Verwaltungsneubau an der Hauptstraße (jetzt Carl-Gareis-Straße).

1890
wird die Ausrüstung von Maschinen erneuert.

1894
wird im Betrieb elektrischer Strom für die Beleuchtung und für Elektromotoren erzeugt.

1899
Ein neues Maschinenhaus mit einer leistungsstärkeren Dampfmaschine (130 PS) wird in Betrieb genommen.

Logo der Firma Thiel & Bardenheuer
Logo der Firma Thiel & Bardenheuer

1908
erfolgt der Bau von 12 Arbeiter- und Angestelltenwohnhäusern für 235 Personen in 74 Wohnungen inklusive der dazugehörigen Straße (ehemals Bardenheuerstraße, jetzt Puschkinstraße).

1911
stirbt Reinhard Bardenheuer.

1914
Ausbruch des 1. Weltkrieges, wieder Ausrüstungen für das Militär, 250 Beschäftigte, wöchentliche Arbeitszeit 60 Stunden, Stundenlohn 35 – 45 Pfennige.

1917
stirbt auch der Bruder von Reinhard, Otto Bardenheuer. Danach treten deren Söhne Max und Walter in die Fußtapfen ihrer Väter; unter deren Leitung erfolgen verschiedene Neuerungen, Um- und Neubauten; auf dem Köhlerhof (Untere Lindenstraße) wurde ein Wirtschaftshof eingerichtet für Pferde, Pferdewagen, Lkw und Pkw.

1918
Der Bedarf an Petroleumbrennern geht zurück, Umstellung der Produktion auf Verschraubungen aller Art, Fahrradrückstrahler, Scheinwerfer für Taschenlampen und technische Laternen, Fahrradglocken, Teesiebe, Teeeier, Bierwärmer u. v. a.

1937
begann die Umstellung der Produktion auf die Zulieferung für die Rüstungsindustrie, mit Kriegsausbruch wurden Nachtschichten eingeführt, Frauen wurden verstärkt eingesetzt bzw. dienstverpflichtet.

1942
Hundert Zwangsarbeiter aus der Sowjetunion kommen zum Einsatz.

1945
Für fast vier Monate lag der Betrieb total darnieder, dann begann man aus Restbeständen wieder die früheren Erzeugnisse herzustellen, der Betriebsinhaber Max Bardenheuer wird in den Ruhestand versetzt, ein Genosse leitet nun den Betrieb.

1951
ging der Betrieb in Treuhandverwaltung.

1952
volkseigen und der Vereinigung MEWA angeschlossen, produziert wurden Fahrradglocken, Karbid-Grubenlampen, Teeeier, Teesiebe, Fahrradöler, Verschraubungen, Petroleumbrenner für Reichsbahn und Schifffahrt, Zieh- und Stanzteile, eine Betriebsküche, ein Speisesaal und eine Lehrwerkstatt entstanden.

1957
Neubau einer modernen Galvanisierung, Übernahme der benachbarten Gebäude der ehem. Firma Kaspar Hess, rund 200 Arbeitskräfte waren beschäftigt.

1958
erfolgt die schrittweise Übernahme der Fertigung von Kfz-Leuchten von FER.

1969
wurde der Betrieb MEWA ein Zweigwerk von FER in der Teile- und Zubringerfertigung sowie der Leuchtenmontage.

1990
wird der Betrieb stillgelegt und aufgelöst.

1995
sind die Betriebsgebäude zum größten Teil abgerissen, die Gebäude an der Carl-Gareis-Straße (das Verwaltungsgebäude und das rote Backsteingebäude) blieben aus Denkmalschutzgründen erhalten. Nach der Beseitigung der Altlasten und der Vorbereitung des Baugrundstückes wurde das Gelände von der REWE-Handelskette übernommen und der Markt 1997 eröffnet. In den denkmalgeschützten integrierten Gebäuden befinden sich jetzt die Stadtverwaltung (Rathaus), eine Außenstelle des St.- Georg-Klinikums Eisenach (MVZ) sowie Wohnungen.