Erläuterung zur Garagenthematik - Antwort auf die Leserpost in der Ruhlaer Zeitung vom 20.07.23

Erläuterung zur Garagenthematik –
Antwort zur Leserpost von Herrn Peter Jung aus der Ruhlaer Zeitung vom 20.07.2023.

Grundsätzlich muss hier klargestellt werden: Die Klärung der Rechtsangelegenheiten zur Nutzung von kommunalen Grundstücken für Garagen liegt keinesfalls im Ermessen des Bürgermeisters oder der Stadtverwaltung Ruhla. Beide sind, ebenso wie jeder Bürger, dazu verpflichtet geltendes Recht einzuhalten und umzusetzen.

 

Zunächst zur allgemeinen Rechtslage

Wie es in Ostdeutschland noch bei vielen Städten und Gemeinden der Fall ist, gibt es auch in der Stadt Ruhla noch zahlreiche Grundstücksflächen, bei denen die Stadt Eigentümerin der Grundstücksfläche ist und das aufstehende Garagengebäude wurde zu DDR-Zeiten von Bürgern privat gebaut oder von dafür gegründeten Genossenschaften erworben. Hierfür wurde damals mit der Kommune ein Nutzungs- bzw. Pachtvertrag abgeschlossen. Den Fall, dass Grundbesitz und Bebauung verschiedene Eigentümer haben, kennt das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) jedoch nicht. Nach der Wiedervereinigung musste daher eine rechtliche Lösung der offenen Eigentums- und Vermögensfragen gefunden werden. Geschehen ist dies mit dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz, das am 01.10.1994 in Kraft getreten ist, und mit dem Schuldrechtsanpassungsgesetz, das am 01.01.1995 in Kraft getreten ist. Bei beiden Gesetzen handelt es sich um ein Übergangsrecht.

Das Schuldrechtsanpassungsgesetz (SchuldRAnpG) trifft Regelungen für bis zum 02.10.1990 abgeschlossene Nutzungsverträge, auf deren Grundlage Grundstücke unter anderem zum Zwecke der Errichtung von Garagen überlassen worden sind. Diese Verträge wurden gemäß § 6 Abs.1 SchuldRAnpG ab dem 01.01.1995 den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches über das Miet- und Pachtrecht unterstellt. Zu den wesentlichen Fragen des Entgelts, der Kündigungsmöglichkeiten und des Wertersatzes bei Vertragsbeendigung hat das Schuldrechtsanpassungsgesetz jedoch Übergangsbestimmungen getroffen. Die letzten Übergangsbestimmungen sind zum 31.12.2022 ausgelaufen. Für Garagengrundstücke endeten diese bereits am 31.12.2006. Nach Ablauf dieser Frist ist es grundsätzlich egal, durch wen die Kündigung des Vertragsverhältnisses erfolgt, da eine Entschädigung nach dem Zeitwert der Baulichkeit nicht mehr zu entrichten ist. In Betracht kommt eine Entschädigung vielmehr nur noch dann, wenn der Verkehrswert des Grundstücks aufgrund der aufstehenden Baulichkeit erhöht ist; dies betrifft im Stadtgebiet allerdings nur Einzelfälle.

Bei der Stadt Ruhla liegen zwei Arten von Verträgen vor, die so genannten Altverträge, die bis zum 02.10.1990 geschlossen wurden, und Neuverträge, die seit dem 03.10.1990 geschlossen wurden.

 

Altverträge – geschlossen bis zum 02.10.1990

Die bis zum 02.10.1990 geschlossenen Altverträge enden nicht automatisch. Dies betrifft in Ruhla 350 Garagenbesitzer. Solange ein solcher zu DDR-Zeiten geschlossener Nutzungsvertrag von keiner der Parteien gekündigt oder ein Aufhebungsvertrag geschlossen wird, besteht dieser unbegrenzt fort. Es besteht keine Notwendigkeit, einen neuen Vertrag abzuschließen. Solange der Vertrag ungekündigt fortbesteht, existiert auch das zu DDR-Zeiten begründete Sondereigentum des Nutzers an dem aufstehenden Gebäude weiter. Das Eigentum an dem Gebäude fällt erst an den Grundstückseigentümer, wenn das Vertragsverhältnis beendet wird. Bei einer Beendigung des Vertragsverhältnisses nach dem 31.12.2022 gelten auch die Regelungen des Schuldrechtsanpassungsgesetzes zur Beseitigung des Bauwerks und den Abbruchkosten nicht mehr. Das heißt, hier ist der Eigentümer des Gebäudes alleinig für den Abriss verantwortlich und trägt dessen Kosten. In Abstimmung mit dem Grundstückseigentümer kann auch auf den Abriss verzichtet werden. Die Stadtverwaltung Ruhla prüft jeden Fall einzeln und trifft dann einvernehmliche Regelungen.

 

Problematik Grundsteuerreform ab 2025 bei den Altverträgen

Zum 01.01.2022 sind alle Grundstücke im gesamten Bundesgebiet für Zwecke der Grundsteuer neu zu bewerten. Auf diesen Stichtag wird in der sogenannten Hauptfeststellung erstmalig der Grundsteuerwert festgestellt, der dann ab 01.01.2025 den Einheitswert ablöst.

Bisher bilden das Gebäude auf fremdem Grund und Boden sowie das Grundstück selbst zwei wirtschaftliche Einheiten des Grundvermögens. Für beide wirtschaftliche Einheiten ist bisher je ein Einheitswert festzustellen. Dabei wird der Bodenwert dem Eigentümer des Grundstücks zugerechnet und der Gebäudewert dem wirtschaftlichen Eigentümer des Gebäudes, vgl. § 94 Bewertungsgesetz (BewG). Jeder hat bisher einen separaten Grundsteuermessbescheid erhalten.

Ab 2025 werden zukünftig Gebäude auf fremdem Grund und Boden und das damit belastete Grundstück aus Vereinfachungs- und automationstechnischen Gründen vom Finanzamt zusammen bewertet. Der Eigentümer des Grundstücks wird Steuerschuldner für beides: Gebäude und Grundstück und kann über die Pacht den anteiligen Grundsteuerwert vom Gebäudeeigentümer zurückfordern. Somit erhält der Eigentümer des Gebäudes auf fremden Grund und Boden keinen Grundsteuer B Bescheid mehr, sondern muss eine entsprechend höhere Pacht zahlen.

 

Neuverträge – geschlossen ab dem 03.10.1990

Bei Verträgen, die ab dem 03.10.1990 geschlossen wurden, gilt das Schuldrechtanpassungsgesetz nicht. Diese Neuverträge unterliegen vollständig dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), in dem es keine Trennung zwischen Gebäude und Grundstück gibt. Auch wenn in einigen Verträgen formuliert ist, dass die aufstehende Garage das Eigentum des Pächters ist, stellt sich die tatsächliche Eigentumssituation nach dem Gesetz anders dar. Es kann nach dem BGB rechtlich nicht wirksam vereinbart werden, dass das Eigentum an der Garage weiterhin vom Eigentum an dem Grundstück getrennt ist.

Zur Klärung der Rechtslage ist den Besitzern mit Neuverträgen im Schreiben vom 13.07.2023 der Vertrag zum 31.12.2023 gekündigt und zugleich die Fortführung als Mietvertrag ab 01.01.2024 angeboten worden. Mit dem Mietrecht ergeben sich zum einen für den Vermieter die Pflichten zur Unterhaltung der Mietsache, zum anderen für den Mieter die Zahlung einer entsprechend angepassten Miete. Nach Recherchen der Stadtverwaltung zum Mietspiegel in der Region sind hier im Jahr 2024 zunächst 30,00 € im Monat fällig, ab 2025 zuzüglich der gesetzlichen Mehrwertsteuer dann 35,70 € im Monat zu zahlen. Diese Neuverträge betreffen 90 Garagen, viele davon als eingegliederter Bestandteil vorhandener Garagenkomplexe. In einigen wenigen Fällen einzelnstehender Garagen prüft die Stadtverwaltung Ruhla, vorbehaltlich der Zustimmung des Stadtrates, auch den Verkauf der städtischen Grundstücke an die Garagenbesitzer. In ganz seltenen Fällen wurde mit Schreiben vom 13.07.2023 auch ohne Fortführung gekündigt, da diese betreffenden Garagen wegen ihres baulichen Zustandes nur noch von der Stadt Ruhla abgerissen werden können.

Ruhla, 07.08.2023


Dr. Gerald Slotosch

Bürgermeister Stadt Ruhla