Witterungsrückblick und einige Bräuche für den Monat September
Der Wetterhahn von Sankt Concordia blickt zurück
Rühler Witterungsrückblick und einige Bräuche für den Monat September 2020
Der Jahreslauf ändert einmal wieder sein Gesicht. Langsam, ganz langsam wird es herbstlich. Am deutlichsten wird dies anfangs in den Abend- und Morgenstunden an der Tageslänge, sie nimmt im September spürbar ab. Beträgt sie am 1. September noch 13 Stunden und 30 Minuten, so beträgt sie am 30. September gerade mal noch 11 Stunden und 39 Minuten.
Mit dem astronomischen Herbstanfang am 22. September (Grund hierfür ist das Schaltjahr 2020), genau um 15:30 Uhr, beginnt bei uns der Herbst. Übrigens: Hätten wir in diesem Jahr kein Schaltjahr, wäre der 23. September der Herbstanfang.
Mit gewaltigen Schritten saust unser Herbst durch das Land, sucht seine Leitern und Pinsel zusammen und mischt seine schönen bunten Farben für die Laubfärbung bereits an. An einigen unserer Bäume sind seine Malversuche schon erkennbar - obwohl wir einen Teil der beginnenden Verfärbung auf die extreme Trockenheit des Monats September zurückführen müssen; aber hierzu später.
Der Monat September galt aber bisher als einer der freundlichen Monate. Besagt doch der alte Wetterspruch: „Durch des Septembers heiteren Blick, schaut nochmal der Mai zurück“. Doch galt bisher auch: „Ist der schöne August gewichen, kommen die gestrengen Herren mit dem “r“ geschlichen. (September, Oktober, November)
In früheren Zeiten war es für Ruhla typisch, mit dem Beginn des Septembers zur Hirschbrunft zu gehen. Ganze Völkerscharen machten zum Leidwesen der damals hauptamtlichen Jäger und Förster den Wald unsicher. Zu dieser Zeit gab es an der Hohen Sonne den Herzoglichen Hirschgarten und in Wilhelmstahl einen Wildpark. Beide Einrichtungen waren das Ziel von Ruhlas Amateurwilddieben. Kaum ein echter Rühler ließ sich damals das dröhnende Rufen des Rotwildes in und um die damals noch dichten Wälder unserer Heimat entgehen.
Die ersten 10 Septembertage begannen mit einer richtigen Schönwetterperiode, so brachten wir es in 10 Tagen auf insgesamt 56,90 Sonnenstunden. Dies schlägt sich auch im aufgezeichneten Bedeckungsgrad nieder. An 3 Tagen war es sonnig, 3 Tage zeigte sich der Himmel heiter, einen Tag war es leicht bewölkt, an 2 Tagen bewölkt und an einem Tag, dem 4. September, erwies sich unser Himmel als bedeckt.
Die niedrigste Nachttemperatur konnten wir am 07. September mit 5,5°C in unserem Temperaturregister vermerken. Somit zeigten sich die Nächte schon mal herbstlich. Die gemessene höchste Tagestemperatur erreichten wir am 9. September mit 24,9°C bei herrlichen Sonnenschein. Der rechnerische Mittelwert der für die ersten 10 Septembertage aufgezeichneten jeweiligen Durchschnittstemperaturen betrug 13,79°C. Äußerst problematisch erwies sich für die ersten 10 Tage die erfasste Regenmenge. An 3 Tagen fielen in Ruhla, man glaubt es kaum, gerademal 1,70 l auf den m², so gut wie nichts. Glücklicherweise hatte es im gesamten Monat August 93,7 l geregnet, so dass wenigstens eine entsprechende Grunddurchfeuchtung des Bodens vorhanden war.
Zum heiligen Eustachius, dem Patron der Jäger und Förster, begannen zum 20. September üblicherweise die Herbstjagden. Die ab Mitte September wallenden Nebel in Ruhlas Wäldern machten vielen der damaligen Einwohner gehörig Angst, in den Wald zu gehen. Aber Ruhla wäre nicht Ruhla, denn hier gab es ein Mittel gegen herbstliche Waldängste: um die Seele zu beruhigen steckte der mutige Wilddieb sich ein Kräutersträußchen ans Revers der grünen Waldjacke und man war vor bösen Geistern sicher, so einfach ging das damals.
Die Wetterentwicklung der nächsten 10 Tage erwies sich als noch problematischer, als die ersten 10 Septembertage. Nicht ein einziger Tropfen Regen viel von dem fast ständig sonnigen Himmelsgewölbe. Die Trockenheit in den Wäldern nahm dramatisch zu. Dies wurde ganz deutlich im aufgezeichneten Bedeckungsgrad des Himmels über unserem so lieblichen Bergstädtchen. In 10 Tagen war es an insgesamt 8 Tagen sonnig, an einem Tag zeigte sich der Himmel leicht bewölkt und an einem Tag bedeckt. Solch eine Himmelsentwicklung ist bisher, seit meinen Beobachtungen, noch nicht da gewesen. Auch die aufgezeichneten Sonnenstunden sprechen für sich. An insgesamt 54,60 Stunden schien in den zweiten 10 Septembertagen die Sonne über Ruhla. Insgesamt scheint an den alten Wetterregeln im Schaltjahr 2020 etwas nicht zu stimmen. Sagte man doch früher: „ An Marias Namen (12. September) sagt der Sommer Amen.“
Die niedrigste Nachttemperatur im zweiten Septemberdrittel konnten wir am 18. September mit 3,6°C vermerken. Die höchste Tagestemperatur erreichten wir am 15. September mit 28,8°C, also ein richtiger Sommertag.
Übrigens ein wichtiges Datum für alle, besonders die jüngeren Bürger ist der 14. September, der Kreuzerhöhungstag. Wer es an diesem Tag wagte zu heiraten, dem wurde die Ehe zum Kreuz. Also, Ihr Leute, haltet euch an die alten Bräuche.
Unser ständiger Begleiter im beschriebenen Witterungszeitraum blieb die enorme Trockenheit. Und so kam am 14. September so gegen 14:00 Uhr, was kommen musste - Sirenengeheul über Ruhla, die Martinshörner in Ruhlas Straßen wollten gar nicht aufhören, die Bermich gesperrt, aus allen Nachbarorten kamen Feuerwehrautos: Unser Wald brennt zwischen Wachstein und Totem Mann!!! Sogar ein Löschhubschrauber kreiste über dem Wald.
Unter Einsatz aller erreichbaren Kräften und Technik gelang es, den Brand unter Kontrolle zu bringen. Glücklicherweise herrschte zum Zeitpunkt des Brandausbruchs kein Wind. Nicht auszumalen für unser Ruhla, wenn Wind geherrscht hätte.
Von dieser Stelle aus allen eingesetzten Kräften nochmals ein herzliches Dankeschön, dass durch ihr Engagement, Fachwissen und schnelles gezieltes Handeln Schlimmeres verhindert werden konnte.
Vergessen wir niemals, es ist unser Wald, ihm gehört die ganze Liebe und Achtsamkeit aller Ruhlaer Bürger. Ein jeder ist aufgerufen, ihn zu schützen und zu mehren. Achten wir alle darauf, dass ihm kein Schaden zugeführt werden kann und tun wir alles zu seiner Erhaltung.
Kommen wir nun zu den letzten 10 Tagen des Monats September. Die ersten zwei Tage der letzten Septemberdekade gingen weiter wie bisher, mit Höchsttemperaturen über 20°C. Dann aber zogen völlig ungewohnt Wolken auf und es begann erst ganz leicht zu regnen. Der Regen verstärkte sich, so dass wir in den nächsten 4 Tagen 37,9 Liter Regen auf den Quadratmeter gut schreiben konnten. Sollte der alte Wetterspruch noch eintreten, der besagt: „Der September trocknet die Brunnen aus, oder er reißt die Brücken fort.“ Der neue Wettertrend war auch ganz deutlich an der Anzahl der Sonnenstunden erkennbar. So kamen wir in den letzten 10 Septembertagen hier auf genau 41,20 Stunden. Der Bedeckungsgrad des Himmels ließ diese Entwicklung auch erkennen. So war es an einem Tag sonnig und an einem weiteren heiter. Zwei Tage zeigte sich der Himmel bewölkt, an vier Tagen stark bewölkt und an zwei Tagen gar bedeckt.
Die Erntearbeiten gingen nun auch langsam ihrem Ende entgegen. So war es in Ruhla üblich, das bis spätestens zu Lamberti (18.September) die Kartoffeln aus dem Boden mussten, da schon in manchen Jahren Ende September Nachtfröste drohten. Das Kraut wurde auf dem Acker verbrannt und ergab einen hervorragenden Dünger. Galten nun die Erntearbeiten als abgeschlossen, war für den Bauern das Sichellegen ein wichtiger Brauch. War der letzte Erntewagen auf den Hof gerollt, nahm man eine Sichel und legte sie vor den letzten Wagen. Es wurde ein Dankgebet gesprochen, dies galt nun als Abschluß der Ernte. Zu Michaelis am 29.September mussten die Wintersicherungsarbeiten greifen. Die Lüftungslöcher in Haus und Stall mussten verschlossen sein. Rechtzeitig vor dem Einbruch der Dunkelheit wurden Fenster Türen und Tore durch den Hausherren versperrt. Die Zeit der Beleuchtung begann. Der entsprechende Spruch hierzu lautete:“ Eas hollt e am bäi Sankt Michaäl die Kerzen, Funzeln unn au d`s ÖL.“ Oder auch: “Kosmos und Damian (26. September) zündet die Lichter an.“
Im Wald begann die Zeit des Holzeinschlages und es wurden noch Pilze gesammelt. Hierbei gab es noch einen alten Brauch: der erste gefundene Pilz wurde hinter sich geworfen. Dies sollte die Waldgeister besänftigen und eine reiche Pilzernte bescheren.
Nun war es endgültig Herbst. Das Leben wurde für unsere Altvorderen nun etwas ruhiger. Die Arbeit verlagerte sich ins Haus, Stall und Scheune, die Zeit der Spinnstuben und Schlachtfeste begann. Man mag es kaum glauben, ganz weit in der Ferne ging für manchen schon der Weihnachtsstern auf.
Zum Abschluß noch einige Eckdaten für den Monat September:
- höchste Monatstemperatur 28,8°C
- tiefste Nachttemperatur 3,6°C
- Sonnenstunden gesamt 180,7 Stunden
- Gesamtregenmenge Monat 39,6 Liter, bei 7 Regentagen
- Luftdruck max. 1021,9 hPa, Luftdruck min 999,8 hPa
Bleibt nur noch eines: “Einen Baum gepflanzt zu Sankt Michael (29. September), wächst von der Stund` an auf Befehl.“
Ihr Gert Götze
im Oktober 2020