Wetter

Warum werfen im Herbst, kurz vor dem Winterbeginn, unsere Laubbäume ihre Blätter ab?

Gerade jetzt, so kurz vor Beginn des Winters, bekomme ich immer wieder die Frage gestellt, warum werfen eigentlich unsere Laubbäume nach der herrlichen Laubverfärbung so ganz plötzlich, über Nacht sozusagen, all ihre Blätter ab? Worin liegt hier der Sinn?  Im Frühling ganz plötzlich und auch teilweise über Nacht zeigen sie sich wieder im  frischen grünen Laub. Und wir nehmen es täglich wahr. Ist es nicht erstaunlich, wie die Bäume unsere Stimmung beeinflussen?

Die Gründe für den jährlichen Laubwandel möchte ich versuchen, in aller Kürze zu erklären. Erste Überlegung, es ist das Wetter. Diese Schlussfolgerung kann aber nicht sein, sie ist falsch. Regen, Sturm, und kühle Temperaturen, Dürre und weitere Wetterfaktoren gibt es doch zu jeder Jahreszeit. Schauen wir wieder zu unseren Bäumen. Kahle, wie totwirkende Bäume lassen in uns eine eigentümliche melancholische, düstere Stimmung aufkommen. Ein paar letzte Blätter hängen noch, sie verstärken unsere trüben Gedanken. Plötzlich kommt wieder die bohrende Frage in uns auf, warum werfen die Laubbäume nun nach der wunderschönen Laubverfärbung so plötzlich ihre Blätter ab? Zweite Überlegung: Es ist die Kälte, die uns Menschen jetzt schon zu schaffen macht. Es wäre eine naheliegende Erklärung. Die Bäume tuen es, um sich vor der Kälte zu schützen! Falsch, schon wieder falsch, alles falsch. Im hohen Norden gibt es riesige Nadelholzbestände, die werfen auch nichts ab, obwohl es da noch viel kälter ist, als hier in Mitteleuropa. Die Nadeln sind mit einer Wachsschicht überzogen und das schützt sogar vor großer Kälte. Wir nehmen auch bei starken Frost Hautcreme für Gesicht und Hände.

Woran liegt es denn nun mit dem Laubfall? Wollen wir die Frage beantworten, müssen wir weit in die Vergangenheit zurückkehren, am besten bis kurz vor die Eiszeit. Damals herrschte an den Polen, man wird es kaum glauben, warmes Klima, an dem es ganze 6 Monate ununterbrochenen Sonnenschein gab. Darauf folgten 6 Monate Polarnacht, also totale Dunkelheit. Wie übersteht das eine Pflanze? Vergessen dürfen wir hierbei nicht, es herrschten Temperaturen, die den Stoffwechsel in Gang halten. Beachten müssen wir auch noch, daß Lebewesen unter diesen dunklen Bedingungen - wie wir auch - Sauerstoff veratmen und dabei Kohlendioxid freisetzen (Dunkelreaktion). Bei Licht allerdings erzeugen sie über die Photosynthese viel mehr Sauerstoff und legen einiges an Biomasse (Holz) an. Nach 6 Monaten Dunkelatmung wäre also so viel Kohlenstoff aus ihrer Biomasse aufgebaut, dass sie regelrecht verhungern würden. Auch wir verlieren etwas Kohlenstoff durch die Atmung, gleichen dies aber durch Essen wieder aus, was auch im Dunklen erfolgen kann. Die Pflanzen können dies nicht. Pflanzen brauchen Licht, wenn sie ihren Kohlenstoffverlust ausgleichen wollen. Ist dies über einen längeren Zeitraum (6 Monate) nicht möglich, bleibt nur eine Möglichkeit, den Verlust irgendwie auszugleichen, bis die mageren Zeiten vorbei sind. Was machen deshalb unsere Bäume? Sie werfen nutzlos gewordene Blätter, die jetzt nur Defizit bringen, ganz einfach ab. Aber erst, nachdem alle wertvollen Inhaltsstoffe des Laubwerkes im Stamm geborgen wurden sind.

Nun wissen wir es: Der Laubwurf ist  also keine Anpassung an die bevorstehende winterliche Kälte, sondern eine Anpassung an die winterliche Dunkelheit bei Temperaturen, die es heute gar nicht mehr gibt, der Blattwurf ist geblieben, auch Bäume treten Erbschaften an, wenn auch für heutige Zeiten unnütze.
Der Laubwurf ist gleichzeitig eine weitere brillante Strategie gegen eine weitere Kombination von bestimmten Umweltbedingungen. Wir nennen sie mal Frosttrocknis. In unseren mitteleuropäischen Breiten kann sie vorkommen. Wir merken es immer stärker, dass in den Wintermonaten intensiv genug die Sonne scheint, aber Niederschläge fehlen. Diese Faktoren würden bei Belaubung Photosynthese auslösen. Die Folge wäre, unsere Bäume müssten verdursten, trocken werden. Gott bzw. der Natur sei Dank, die Blätter sind abgeworfen, also kann in dieser Hinsicht nichts passieren.

Dies ist das Geheimnis des Laubwurfes. Ich hoffe, meine Ausführungen waren verständlich. Was birgt doch die Natur für eine Faszination in sich……

Gert Götze
im November 2020 bei laublosem Wald