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In Gedenken an Otfried Blumenstein (10.1.1920 – 19.12.2018) - Ehrenbürger der Stadt Ruhla

Am 19. Dezember 2018 verstarb Otfried Blumenstein, kurz vor seinem 99. Geburtstag. Die Stadt Ruhla trauert um einen großen Sohn und einzigartigen Ehrenbürger. Otfried Blumenstein hat - seit 3. Dezember 1946 - über sieben Jahrzehnte die Wetterchronik der Stadt Ruhla geführt. Mit großem Engagement hat er uns so eine wichtige Seite unserer Heimatgeschichte bewahrt. Daraus können wir bis heute lernen.

Schon 1995 wurde Otfried Blumenstein mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Fast fünfzig Jahre hatte er im Ehrenamt das Wetter von Ruhla für den deutschen Wetterdienst erfasst. Darüber hinaus entstanden, mit den Daten seines Vaters Otto Blumenstein, ebenfalls Lehrer, durch Otfried Blumenstein die Chronik der Naturereignisse aus der Zeit von 1348 bis 1945 sowie die umfangreichen Wetteraufzeichnungen und monatlichen Berichte aus den täglichen Wetterbeobachtungen seit 1946 bis zum Jahr 2018. Für sein außerordentliches Engagement in der Erforschung des regionalen Wetters ernannte der Stadtrat im Oktober 2001 Otfried Blumenstein zum Ehrenbürger der Stadt Ruhla. Im Jahr 2006 wurde dann die neue Wetterstation oberhalb des Gymnasiums errichtet. Über 10 Jahre nahm Otfried Blumenstein weiter die Daten von seiner alten Wetterstation im Hof des Gebäudes II auf, um so für langfristige Untersuchungen die Daten vergleichbar zu machen. Im Jahre 2016 wurde die neue Station dann nach ihm „Otfried Blumenstein“ benannt.

Seit 2001 kam Otfried Blumenstein regelmäßig ins Rathaus. Er brachte seine handgeschriebenen Texte zur monatlichen Wetterchronik oder zu seinen aktuellen Reiseberichten zu Frau Dagmar Rudkowski, die bis zu ihrer Rente im Oktober 2016, alles abschrieb. Seitdem kam Otfried Blumenstein zu Silke Möller, die nun weiter für ihn seine Texte abschrieb und zur Veröffentlichung z.B. in der Ruhlaer Zeitung weitergab. Daraus entwickelte sich über die Jahre ein sehr vertrauensvolles Verhältnis. Auf Anregung von Silke Möller entstand auch Otfried Blumensteins letztes Werk „Vor 100 Jahren und danach – Als Kind, Jugendlicher und junger Erwachsener in der Weimarer Republik und im „III. Reich“ vom 9. November 2018“, dem 100. Jahrestag des Ende des 1. Weltkriegs.

Mit dem Tod von Otfried Blumenstein verliert die Stadt einen bis ins hohe Lebensalter engagierten Menschen. Zugleich geht mit ihm ein Vorbild in mehrfacher Hinsicht.

  1. Er war mit Leib und Seele Lehrer für Deutsch, Sport und Geographie. Er kann zu Recht stolz sein auf die vielen Generationen an Schülern, die auch durch sein Wirken zu Persönlichkeiten mit Verstand, Einfühlungsvermögen und Tatkraft heranwuchsen. Er war ein Vorbild als Lehrer.
  2. Er war ein unermüdlicher Wetterforscher. Er erfasste über Jahrzehnte täglich die Wetterdaten in Ruhla und arbeitete für das Wissen und die Volksbildung rund um das Wetter. Er war ein Vorbild durch Disziplin.
  3. Er war ein weitblickender Geograph und vermittelte gerne sein Wissen. Er bereiste die Welt und teilte seine Erfahrungen durch seine anschaulichen Reiseberichte mit vielen anderen. Er lebte bis ins hohe Alter unermüdlich nach der Einsicht, dass „Weltanschauung“ von „Welt anschauen“ kommt. Er war ein Vorbild als Weltbürger.

Bis zuletzt war Otfried Blumenstein ein zutiefst nachdenklicher Mensch. Er befasste sich so auch mit Fragen von Krieg durch Diktaturen und Schuld des Einzelnen. Er war ein zutiefst friedvoller Mensch. Als Kind, Jugendlicher und als junger Erwachsener überlebte er viele schicksalhafte Momente. Er war ein zutiefst gläubiger Mensch. Seine Erfahrungen lehrten ihm, nur ein Mensch mit Herz erhört die Mahnungen des Lebens. Er war ein Mensch mit Charakter.

Das zeigt auch der Abschluss aus seinem o.g. letzten Werk mit der „Botschaft von Otfried Blumenstein“, die er aus Anlass des 100. Jahrestages des 1. Weltkrieges am 9. November 2018 verfasste:

„Botschaft von Otfried Blumenstein“
„Von meiner Kindheit bis in mein junges Erwachsenenalter mit 25 Jahren lebte ich in Zeiten der Nachwehen des 1. Weltkrieges und der Auswirkungen des 2. Weltkrieges. Zwei Weltkriege hatten mit Hass und Gewalt viel Not und Leid über die Völker gebracht. Mit Liebe und Willen sowie mit Disziplin und Kameradschaft habe ich selbst überleben können. Viele aber hatten nicht das Glück und kamen nicht zurück. Das war und ist mir eine Mahnung.
Nach dem Krieg wurde ich Neulehrer und durfte über vier Jahrzehnte junge Menschen in Sport und Geographie unterrichten – was ich gerne und mit ganzer Kraft tat. Meine Reisen führten mich in über 80 Länder der Erde, zeigten mir die Natur und die Landschaften, die Kulturen und die Entwicklungen dieser Welt. Wir haben nur diese eine. Und immer noch gibt es Konflikte und Kriege.
In Europa haben wir jetzt seit fast 75 Jahren Frieden. Deutschland und Frankreich sind endlich versöhnt. Trotz mancher Mängel und Ungerechtigkeiten heutzutage müssen und wollen wir für diesen Frieden dankbar sein. Otfried Blumenstein 9. November 2018“

Die Stadt Ruhla wird ihrem Ehrenbürger Otfried Blumenstein immer ein ehrendes Andenken bewahren. In großer Dankbarkeit verneigen wir uns zum Abschied vor Otfried Blumenstein. Unser aufrichtiges Beileid gilt der Familie und den Angehörigen.