Wetter

Betrachtungen zum Hochleistungs- bzw. Turbosommer des Jahres 2022

Der Wetterhahn von Sankt Concordia blickt zurück

Betrachtungen zum Hochleistungs- bzw. Turbosommer des Jahres
2022

Was sang Rudi Carell vor einigen Jahren so trefflich: „Wann wird es endlich wieder richtig Sommer?“ Diese Frage ist in diesem Jahr mehr als berechtigt. Ich meine einen richtigen, ganz normalen mitteleuropäischen Sommer, keinen Hochleistungssommer oder Turbosommer oder wie ihn wir nennen wollen. Keinen Sommer wie in den letzten drei Jahren, wo eine Hitzeperiode sich mit der nächsten abwechselte , wo von Tag zu Tag die Dürre in Feld, Wald und Flur zunahm, wo fast ständig wehende Winde die Austrocknung ringsum fast ständig verstärkten.

Im Sommer muss und darf es nicht darum gehen, dass sich die täglichen Höchsttemperaturen ständig übertreffen.

Unter einem ganz normalen mitteleuropäischen Sommer verstehen wir für die drei Sommermonate Juni, Juli und August ausgeglichene Temperaturen mit entsprechenden Spitzenwerten und dann wieder einen Temperaturausgleich, der eine Vegetationsperiode bei genügender Zufuhr von Feuchtigkeit durch Regenfälle und entsprechender Luftfeuchtigkeit zu lässt. Das Pflanzenwachstum wird dadurch angeregt. Gleichzeitig wird bei aller sommerlichen Sonneneinstrahlung für uns Menschen ein liebenswertes Klima mit wechselndem Erholungswert besonders für die Urlaubszeit geschaffen. Ja, Sommer sollte für uns Wohlfühlzeit, Zeit für Entspannung, Zeit für genussvolle Sommerabende sein. Der Sommer muss aber auch eine Zeit mit gewisser Anspannung für besondere Wetterlagen, wie Gewitter, und auch eine Zeit mit gewisser Anspannung für bestimmtes, manchmal auch bedrohliches Himmelsgeschehen beinhalten. Durch genügende Regenfälle muss im Sommer auch das Pflanzenwachstum über die erwähnten drei Monate gewährleistet werden. Denn ohne entsprechende Niederschläge kein Wachstum, keine grünen Wiesen und auch keine Früchte im Herbst, sonst droht uns Hunger.

Ohne große wissenschaftliche Erläuterungen eingehen zu müssen, können wir kurz sagen, ab dem Schaltjahr 2020 fällt die Sommerwende oder der Sommerbeginn je nach Sonnenkonstellation auf den 20. oder 21. Juni, also an einem dieser Tage erreicht unsere liebe Sonne ihren höchsten Stand über dem Himmelsäquator. An diesem Tag schreiben wir den längsten Tag des Jahres. Im Jahr 2022 war es um 11:14 Uhr MESZ soweit. Endlich ist es Sommer, die Lieblingszeit von uns Deutschen, wir alle freuen uns auf die neu begonnene Jahreszeit.

Unsere Hoffnung lag nach zwei heißen und dürren Sommern hintereinander auf einer Sommernormalität in diesem Jahr. So hatten wir gedacht. Doch halt, wo der Sommer des Jahres 2022 nun Geschichte ist, müssen wir mit Schrecken sagen, es kam schlimmer als je gedacht. Ganz Europa, nicht nur Deutschland, erlebte einen Sommer, wie bisher noch nicht gehabt seit der regelmäßigen Wetteraufzeichnung der letzten 140 Jahre. Zur Anmerkung: Ab dem Jahre 1881 gibt es in Deutschland eine systematische Wetteraufzeichnung.

Hitzewellen bis in den hohen Norden, verdorrte Felder und trockene Bachläufe und Flüsse kennzeichneten unsere Landschaften.

19,2°C im Durchschnitt zeigte die Quecksilbersäule im vergangenen Sommer in Deutschland. Damit waren Juni, Juli und August fast 2 Grad wärmer als der bisherige Durchschnitt.

Die Wasserstände unserer Bäche und Flüsse wurden täglich bedauernswerter. Der Grundwasserspiegel sank ständig. Der Boden trocknete bis in immer tiefere Schichten fast völlig aus. Unsere hauptamtlichen Wetterfrösche verzeichneten bei der Durchsicht ihrer offiziellen Dokumente, dass es in den letzten 20 Jahren sage und schreibe in 7 Jahren um mehr als 2 Grad wärmer war, als die offiziell gemessenen Werte zwischen 1881 und 1910. Wobei man, höre und staune, 4 Jahre über dem zweieinhalbfachen der gemessenen Werte lag.

Auf großen Flüssen, wie Donau und Elbe musste die Tonnagemenge der Transportkähne auf Grund von Niedrigwasser begrenzt werden. Die Donau legte seit Jahren nicht mehr gesehene Schiffswracks frei.

Vor Jahrhunderten war es üblich, bei durch Dürre hervorgerufene Niedrigwasserstände im Flusslauf Warnungen, so genannte Hungersteine, zu versenken und zu kennzeichnen. Diese waren meist mit einer Aufschrift versehen, wie: „ Wenn du mich siehst, dann weine.“ Einige dieser Steine wurden zum Beispiel im Rhein jetzt wieder gesehen.

Selbst größere Gewässer, wie das Mittelmeer leiden unter den aufgetretenen Hitzewellen und Dürreperioden der letzten Monate. So kann man hier stellenweise Wassertemperaturen um die 30°C registrieren. Bemerkenswert ist hierbei, dass sich keines der Weltmeere so sehr erhitzt wie gerade das Mittelmeer. Führende Meeresbiologen melden in diesem Zusammenhang schon nicht mehr gut zu machenden Schäden an. In Italien spricht man davon, dass keinerlei Daten der letzten 230 Jahre mit der Hitze und Dürre vergleichbar sind.

Wenn es im Laufe der 3 Sommermonate zum Beispiel an einigen Tagen bei den aufgetretenen Temperaturen zu Ausreisern in den oberen Bereich kommt, ist es für die Gesamtwetterlage nicht dramatisch. Diese Ausreiser gleichen sich im Laufe der 3 Sommermonate gut aus. Problematisch wird die Angelegenheit, wenn wir den Temperaturverlauf über einen längeren Zeitraum betrachten.

So kennen die Meteorologen solch Temperaturverläufe wie Anzahl der Sommertage. Das sind Tage, an denen das Thermometer mindestens 25°C erreicht hat. Dann kennen die Wetterbeobachter noch die Bezeichnung heiße Tage oder in früheren Zeiten auch als Tropentage bezeichnet. Dies sind Tage, an denen die Höchsttemperatur mindestens 30°C erreicht. Die heißen Tage werden bei der Berechnung den Sommertagen zugeschlagen. Weiterhin kennen wir noch so genannte Wüstentage, also Tage, an denen die Temperatur im Mittel bei 35°C liegt.

Sinkt die Temperatur des Nachts nicht unter 20°C, so sprechen wir von einer Tropennacht.

Die Anzahl und die Dauer der oben genannten verschiedenen Kategorien ist eine der Möglichkeiten, die Qualität oder auch die Unerträglichkeit eines Sommers einzuschätzen.

Von besonderer Bedeutung sind die in den drei Sommermonaten gefallenen Niederschläge, deren Intensität und die Anzahl der Regentage für die Qualitätseinschätzung unseres Sommers.

Ein weiteres wichtiges Kriterium für die Qualitätsbeurteilung sind die in den einzelnen Monaten aufgetretenen Sonnenstunden bei einer Beachtung der Bedeckung des Himmelsgewölbes.

Die Betrachtung der Entwicklung eines Sommers ist immer im Vergleich von mehreren Jahren zu suchen. Wichtig ist, wie reiht sich der letzte Sommer unter Beachtung mehrerer Jahrgänge ein.

In Ruhla sind wir in der glücklichen Lage, mit der Wetterstation „Otfried Blumenstein“ eine der wenigen hauptamtlich betriebenen automatischen Wetterstationen ebenfalls örtlich nutzen zu können. Dadurch können wir nicht nur Vergleiche der Wetterentwicklung im nordwestlichen Thüringer Wald anstellen, sondern auch Rückschlüsse für unser liebliches Bergstädtchen Ruhla ziehen.

Daher wollen wir die gemessenen Werte der drei Sommermonate Juni, Juli und August einmal einer kurzen  Betrachtung unterziehen und sie in den Vergleich zu den gemessenen Werten ab dem Jahr 2008 setzen.

Nehmen wir die mittleren Temperaturen der Jahre 2008 bis 2020, so lagen diese für die 12 Jahre bei einem Durchschnittswert von 22,25°C für die jeweiligen 3 Sommermonate. Betrachten wir nun den gemessenen Wert für das Jahr 2022, so trifft uns das blanke Entsetzen. In diesem Jahr erreichten wir dagegen 24,2°C. Wir liegen 2020 bei einer Steigerung zum Vergleichszeitraum von 12 Jahren um 1,95°C höher. Gerade die letzten 3 Sommer haben besonders zu dieser Steigerung beigetragen. Wir sollten bei unserer Betrachtung auch die im Jahre 2022 ständig wehenden Winde auf keinem Fall außer Acht lassen, die zu einer Erhöhung der Temperaturen und zu einer weiteren Austrocknung der Böden und ständig niedriger Luftfeuchtigkeit geführt hat.

Ein weiterer wichtiger Faktor bei der Betrachtung besonders des diesjährigen Sommers sind die angefallenen Sonnenstunden, also die Stunden, in der unser so geliebtes Klärchen die Erdoberfläche beschienen und somit aufgeheizt hat. Im Jahre 2022 beschien unsere Sonne 40,79 Stunden mehr unsere liebe Erde als im Vergleichszeitraum von 2008 bis2020. Wenn wir nun noch die geschätzte Bedeckung des Himmels mit Wolken einrechnen und wir einschätzen müssen, dass die Bedeckung gegenüber der Jahre vorher geringer war, hat dies eine weitere Verschärfung der Trockenheit gebracht.

Kommen wir nun zu einem weiteren Problem, ich würde sagen, dem Hauptproblem des Jahres 2022: die fehlenden Niederschläge. In den 3 Sommermonaten fielen im Durchschnitt 86,85 mm Niederschläge. Im Jahr 2022 lag die durchschnittliche Niederschlagsmenge bei 25,07 mm. Nach einzelnen Monaten fielen im Jahr 2022 im Juni 27,6 mm, im Juli 34,5 mm und im August die gemessene lächerliche Menge von 13,1 mm Regen.

Schlüsseln wir nun den Sommer nach den Kriterien der Sommertage auf, ergibt sich folgendes Bild:

  Daten 2008 bis 2022 im Durchschnitt Daten 2022
Sommertage 22 45
Hitzetage 7,9 11
Tropentage 0,42 0

    
Diese Daten zeigen noch einmal, wie extrem der Sommer 2022 zu bewerten ist.

Soweit nun die Einschätzung des Sommers für den Zeitraum 2008 bis 2020 und das Vergleichsjahr 2022.

 

Ihr Wetterchronist Gert Götze